Der Pflichtteil von Kindern

Sven Diel

Rechtsanwalt für Erbrecht

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Kinder haben einen Pflichtteilsanspruch.
  • Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote.
  • Der Pflichtteil verjährt innerhalb von drei Jahren, beginnend am Ende des Jahres, in dem der Erblasser verstorben ist.
  • Der Pflichtteilsanspruch ist ein Anspruch in Geld.
  • Kinder haben keinen Anspruch auf bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass.
  • Der Pflichtteilsanspruch muss eingefordert werden.

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Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Der Pflichtteilsanspruch bestimmt sich nach der Stellung zum Erblasser und der Anzahl möglicher weiterer Erben. Leibliche Kinder und Adoptivkinder haben einen Pflichtteilsanspruch. Nur in bestimmten Ausnahmefällen kann der Erblasser dem Kind den Pflichtteil entziehen. Maßgeblich für die Höhe des Pflichtteils ist zum einen die eigene Pflichtteilsquote und der Wert des Nachlasses, abzüglich etwaiger Verbindlichkeiten.

1. Haben Kinder immer Anspruch auf einen Pflichtteil?

Im deutschen Erbrecht gilt das sog. Stammesprinzip. Hiernach schließen noch lebende Kinder die eigenen Kinder von der Erbfolge und somit auch vom Pflichtteil aus. Gleiches gilt auch für adoptierte Kinder. Stiefkinder haben kein Erbrecht und somit auch kein Pflichtteilsanspruch. Pflichtteilsberechtigt sind daher leibliche Kinder, Enkelkinder und Urenkel und Adoptivkinder.

 

Beispiel:

Die Erblasserin M hat eine Tochter T, die einen Sohn E hat. Der E ist der Enkelsohn der M. Solange die T noch lebt oder das Erbe der M nicht ausschlägt, ist E von der Erbfolge ausgeschlossen und somit auch vom Pflichtteil. Für den Fall, dass die T jedoch vor Ihrer Mutter M sterben sollte oder das Erbe ausschlägt, tritt E an die Stelle der T hat somit einen Anspruch auf den Pflichtteil.

2. Wie hoch ist der Pflichtteil als Kind?

Es kommt neben der Frage, ob der Erblasser verheiratet war und in welchem Güterstand der er mit dem Ehepartner gelebt hat, darauf an wie viele Kinder der Erblasser hatte. Daher ist im Rahmen der anwaltlichen Beratung wichtig, den familiären Verhältnisse klar zu strukturieren. Die Höhe des Pflichtteils bestimmt sich somit anhand Ihrer Stellung zum Erblasser und der familiären Situation. 

Hier sind 4 typische Beispiele für die Höhe des Pflichtteils, wenn der Erblasser im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat:

                Situation                     gesetzliche Erbquote Kinder                Pflichtteil Kinder 

Ehepartner mit einem Kind                           1/2                                                   1/4 

Ehepartner mit zwei Kindern                        1/6                                                   1/12

Ein Kind, kein Ehepartner                        Alleinerbe                                              1/2 

Zwei Kinder, kein Ehepartner                       1/2                                                     1/4

 

Dieses Beispiel ändert sich gravierend, wenn der Erblasser im Güterstand der Gütertrennung gelebt hat. Daher ist jeder Fall ein Einzelfall, der ein hohes Maß an Genauigkeit und Transparenz benötigt, um den Pflichtteil richtig zu beziffern, insbesondere während der ersten anwaltlichen Beratung.

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3. Wie berechnet sich der Pflichtteil für Kinder?

Um den Pflichtteil zu berechnen, ist im ersten Schritt die genaue Quote des Kindes wichtig. Im zweiten Schritt ist der Nettonachlass entscheidend. Hierfür sollte zunächst der sog. Auskunftsanspruch geltend gemacht werden. Erfahren Sie, wie Sie mit einem Musterschreiben in nur 4 Schritten den Pflichtteil einfordern

 

Sobald der Nettonachlass, d. h. das Vermögen des Erblassers abzüglich sämtlicher Verbindlichkeiten, feststeht, wird der Nachlass mit der Pflichtteilsquote berechnet. Das Ergebnis dieser Berechnung entspricht der Höhe des Pflichtteils. 

Beispiel: 

Die Erblasserin E ist verheiratet und hat zwei Kinder. Gemeinsam mit ihrem Ehemann M  lebt sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Für den Tod haben beide mit einem Berliner Testament vorgesorgt. E und M haben zu je ½ ein Haus, welches einen Wert von 600.000,00 EUR hat. Der Anteil der E beträgt somit 300.000,00. Daneben hat E ein eigenes Girokonto mit einem Betrag in Höhe von 15.000,00 EUR sowie ein Aktiendepot mit einem Betrag von 100.000,00 EUR zum Todestag. In Summe hat E ein Vermögen in Höhe von 415.000,00 EUR. Die Bestattung der E kostet 15.000,00 EUR. Folglich betrug der Netto- Nachlass 400.000,00 EUR. Ohne Testament würde M die Hälfte des Vermögens erben, die Kinder teilen sich die andere Hälfte, so dass jedes Kind einen Anteil in Höhe von ⅙ hätte.

Aufgrund des Berliner Testaments erbt M alles. Die Kinder haben nur noch einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/12 von 400.000,00 EUR. Folglich 33.333,33 EUR.

4. Kann Kindern der Pflichtteil entzogen werden?

Die sog. Entziehung des Pflichtteils findet sich zunächst im Gesetz. Der § 2333 BGB nennt genaue Gründe, in welchen konkreten Fällen Kindern der Pflichtteil entzogen werden kann. Die Rechtsprechung legt diese Gründe alle sehr restriktiv aus. Das heißt, dass es nur beim Vorliegen der genannten Gründe eine Entziehung des Pflichtteils rechtfertigt. Namentlich sind die Hürden sehr hoch. So muss das Kind zum Beispiel dem Erblasser oder nahestehenden Personen nach dem Leben trachten

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5. Kann ich den Pflichtteil fordern, wenn ich das Erbe ausschlage?

Grundsätzlich können Kinder nicht einfach das Erbe ausschlagen und im Anschluss den Pflichtteil fordern. Ein Grund hierfür könnte sein, dass man nicht mit den Erben streiten möchte. Aber nur in den Fällen, die in § 2306 BGB beschrieben werden, ist es möglich, trotz Ausschlagen des Erbes den Pflichtteil zu fordern. Dem Wortlaut nach ist folglich dieses Vorgehen nur dann möglich, wenn der Erbe, der auch pflichtteilsberechtigt ist, aufgrund des Testaments beschränkt oder beschwert.

Wann bin ich durch das Testament beschwert?

Um jedoch von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, dürfen zwischen der Kenntnis über die Beschränkung oder Beschwerung maximal 6 Wochen liegen.

6. Können Kinder trotz Berliner Testamentes den Pflichtteil einfordern?

Zunächst sollte klar sein, was das sog. Berliner Testament ist. 

Kurz gesagt: 

Das Berliner Testament können nur Ehepaare verfassen. Sie setzten sich für den ersten Erbfall gegenseitig als Alleinerben ein. Für den zweiten Erbfall werden die Kinder als sog. Schlusserben eingesetzt.

Das Problem beim Berliner Testament liegt darin, dass beim ersten Erbfall Kinder grundsätzlich bereit Erben wären. Durch das Berliner Testament werden für den ersten Erbfall die Kinder enterbt. Ist das Kind durch das Testament enterbt, stellen sich viele Fragen. Die häufigste und wohl auch die schwierigste Frage der Mandanten ist: 

  • Soll ich den Pflichtteil einfordern oder warten, bis ich als Schlusserbe alles erben werde. 

Diese Frage lässt sich nur mit einer genauen Analyse der Situation bewerten. Zum einen kommt es darauf an, ob das Testament eine sog. Pflichtteilsstrafklausel enthält. Hierbei erhält das Kind, welches beim ersten Erbfall den Pflichtteil fordert im zweiten Erbfall ebenfalls nur den Pflichtteil.

Zum anderen stellen sich die Fragen, wie alt ist der überlebende Ehepartner ist und wie er mit Geld umgeht. Manchmal kann es sinnvoller sein, den Spatz in der Hand zu haben, als auf die Taube auf dem zu warten. Im schlimmsten Fall ist die Taube irgendwann sogar nur noch ein Schmetterling. Schließlich ist es eine Entscheidung, die jeder mit sich selbst ausmachen muss. Der Anwalt sollte transparent alle Wege, die dazugehörigen Kosten und Strapazen aufzeigen.

7. Wann können Kinder ihren Pflichtteil verlangen?

Das Pflichtteilsrecht setzt voraus, dass erst mit dem Tod des Erblassers die Kinder den Pflichtteil einfordern können. Dies hat den Hintergrund, dass der Gesetzgeber beim Pflichtteil  an die Stellung als Erbe anknüpft. Erst wenn man Erbe sein sollte und durch ein Testament enterbt wurde, sollen Kinder den Pflichtteil fordern.

8. Kann ich als Kind auch vor dem Tod den Pflichtteil einfordern?

In der Praxis wollen Eltern regelmäßig den Nachlass schon zu Lebzeiten regulieren. Um Risiken für den überlebenden Ehepartner zu reduzieren, muss der Pflichtteil berücksichtigt werden. In solchen Fällen kann ein sogenannter Pflichtteilsverzicht beim Notar beurkundet werden. Hierbei erklärt das Kind, dass es für einen bestimmten Erbfall keinen Pflichtteil fordern wird. Dieser Vertrag wird nahezu immer mit einer Abfindungszahlung verknüpft. Wie hoch dann der Pflichtteil ist, ist das Verhandlungsgeschick der Kinder.

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9. Wann verjähren die Pflichtteilsansprüche der Kinder?

Der Pflichtteilsanspruch beginnt mit dem Ende des Jahres in dem der Erblasser verstorben ist. Er verjährt nach 3 Jahren. Wichtig ist hierbei, dass es nicht auf den Tag des Todes ankommt. Um die Verjährung zu vermeiden, sollte der Erbe entweder auf die Einrede der Verjährung verzichten, das sollte im besten Fall schriftlich geschehen oder es muss rechtzeitig eine sog. Stufenklage erhoben werden. Ein Fehler wäre es, nur auf die Auskunft zu klagen.

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Antworten auf die wichtigsten Fragen

Der Pflichtteil ist ein Anspruch in Geld. 

Für die Höhe des Pflichtteils kommt es auf die familiäre Situation an. War der Erblasser verheiratet, welcher Güterstand bestand, wie viele Kinder hatte der Erblasser?

Die Quote des Pflichtteils beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote.

Der Anspruch entsteht mit dem Tod des Erblassers und muss vom Kind eingefordert werden. Dies geschieht in der Regel schriftlich. 

Beim Berliner Testament setzten sich die Ehegatten für den ersten Erbfall als Alleinerben ein und enterben damit die Kinder im ersten Erbfall. Somit haben Kinder bereits beim Tod des ersten Elternteils einen Anspruch auf den Pflichtteil. Um diesen Anspruch zu vermeiden, beinhalten solche Testamente regelmäßig eine sog. Pflichtteilsstrafklausel.

Der Autor: Rechts­anwalt Sven Diel

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